Ich kann es immer noch nicht begreifen, dass Du nicht mehr da bist! Seit ich am Freitag den Anruf bekam, dass Du Deinen unglaublich starken Kampf für das Leben und gegen den Krebs verloren hast, ist es immer noch nicht richtig vorstellbar. Du bist nicht mehr bei uns.
Auch wenn wir uns „nur“ alle paar Wochen gesehen haben, warst Du seit meinem ersten Lebenstag da. Die längste und größte Freundin, die ich je hatte.
Deine Tür stand IMMER offen. Auch als wir später nicht mehr in einem Haus gewohnt haben. Du warst für uns Kinder immer eine wichtige Konstante, Zuhörerin, Vertraute, Interessierte, Liebe. Kein Klingeln, kein 100. selbstgemaltes Bild, die 50. Wiederholung Räuber Hotzenplotz gucken, den 5. grünen Apfel am Tag schneiden, den 10. Puppengeburtstag, zum x. Mal hinter uns her wischen, wenn wir wieder mit dreckigen oder nassen Füßen aus dem Garten durch Dein Wohnzimmer tobten, jedes Laternen-/Nikolaus-/Weihnachts-/Kindergarten-Lied in Endlosschleife: dies alles hast du mit einem Lächeln im Gesicht „ertragen“ und es war Dir nie zu viel.
Nicht einmal in meinem ganzen Leben hast Du uns spüren lassen, dass wir gerade störten.
Du musstest bügeln? Kein Problem, in deinem Kellerraum konnten wir uns wunderbar das Erlebte über Deine Heißmangel hinweg erzählen. Du musstest eigentlich beim Dreikönigs-Brunch den überfluteten Keller dank Wasserschaden trocken legen? Kein Problem, du hast uns kleine Tupperdosen in die Hand gedrückt und wir durften helfen. Du musstest in dem unglaublichen Sommer 1992 den ganzen Tag die schier endlose Pflaumenernte aus unserem Garten verarbeiten? Kein Problem, ich durfte Dir beim Pflaumenkuchen backen helfen und immer ein Stück probieren. Nirgendwo gibt es so leckeren Pflaumenkuchen wie bei Dir. Bis zuletzt hattest Du immer Pflaumenkuchen im Gefrierschrank und hast uns bei jedem Besuch ein Stückchen aufgetaut.
In fast 27 Jahren gab es so so so unglaublich viele schöne Momente, Erinnerungen, Augenblicke. Aber keinen Einzigen, in dem ich Dich jemals böse, verärgert, wütend oder traurig erlebt habe. Nicht mal ein offenes Bein, eine neue Hüfte, nicht mal K.s Unfall in der Gletscherspalte konnten Dir Deinen Lebensmut und Optimismus nehmen.
Ich glaube, Du warst die einzige Person, die nie mit uns geschimpft hat 😉
Alle Feste wurden gefeiert, wie sie fielen. Und wir? Wir durften immer dabei sein. Oder Du hast für uns eigene Feste gemacht: Spritzgebäck-durch-die-Drehmühle-drehen-Nachmittage, Weihnachtsbaum-Schmücken-Abend. 4 Wochen kein Daumenlutschen? Dann durften wir uns ein Festtags-Menü bei Dir wünschen (Pommes mit Würstchen, Gurkensalat und Deinem weltbesten Bohnensalat!).
In all den Jahren wart Ihr beide unglaublich interessiert, an ALLEM, was wir tun. Bei jeder kleinen oder großen Entscheidung, Erlebnis, Veränderung, Schritt in unserem Leben wart Ihr dabei oder habt mit einer nie enden wollenden Neugier, Wissbegierde, Interesse nachgefragt. Euch alles haarklein erklären und/oder zeigen lassen. Bestimmt war es für Euch häufig Neuland/unsicheres Terrain/eine andere Welt. Die Welt aus Kinderaugen und Kindermündern, die Ihr leider selbst nie hattet.
Noch bei unserem letzten Besuch vor ein paar Wochen wolltest Du alles über meinen Job, meine Gesundheit, meine Freizeit, meine Hobbys, unsere Reisepläne, unseren letzten Urlaub, die letzte Feier, meinen Blog wissen. Obwohl es Dir selbst da schon richtig schlecht ging. Vielleicht hast Du es da schon gewusst und gespürt, dass Du nicht mehr lange kämpfen kannst. Uns hast Du es nie spüren lassen.
Gerade letzte Woche geisterten mir oft diese Zeilen durch den Kopf:
„In diesem Moment
Schließen Augen sich für immer
Scheint ein kleiner Hoffnungsschimmer
Wird ein geschenktes Herz zur Last
Und durch Mitleid Geld gemacht
Wird ein Mensch zum Kampf gedrillt
Und ein Diktator altersmild
Wird die große Chance verpasst
Und am Sterbebett gelacht
Und hinterm Licht wartet ein Tunnel
Und am Tunnelende Licht
Nur das ein Plan dahinter steckt
Zeigt sich für mich nicht.
Und als einer von Millionen
Steh ich hier und schau nach oben
Frag mich wo du gerade bist
Und wie es da wohl ist
Und als einer von Millionen
Der an Erinnerungen hängt
Fühl ich dass du gerade hier bist
In diesem Moment…“
(aus: „In diesem Moment“ von Roger Cicero)
Ich wusste, dass es Dir schlechter geht und habe Dir spontan eine Karte geschrieben. Ich hoffe so sehr, dass Du sie noch gelesen hast und Dir meine Zeilen in dem hoffnungslosen, überlegenen Kampf noch ein wenig Kraft gegeben haben. Wie wir hörten, konntest Du am Freitag ganz ruhig und ohne Schmerzen im Arm Deiner engsten Liebsten einschlafen. Sogar mit Deinem großen Bruder.
Für uns alle, die wir nun ohne Dich weiterleben müssen, wenigstens ein kleiner schwacher Trost.
Ich weiß nicht, wann ich richtig verstehen werde, dass Du nun woanders bist, uns nie mehr Deine Wohnungstüre aufmachen wirst/Pflaumenkuchen auftauen/Bohnensalat oder Spritzgebäck zaubern/mit uns lachen/mit uns feiern/geduldig unsere kleinen und großen Sorgen und Freuden anhören/uns Fragen stellen wirst. Denn Du warst ja immer schon da!
Ich weiß nur, dass wir Dich sehr sehr sehr sehr vermissen werden und dass es Dir da oben sicherlich jetzt viel besser geht als zuletzt hier unten!
„…Und als einer von Millionen
Der an Erinnerungen hängt
Fühl ich dass du gerade hier bist
In diesem Moment…“
frauheuberg meint
Ach liebste Jules…unglaublich…ich lese deine Zeilen und erlebe gerade auch solche Momente und Gedanken…ein guter Freund von uns ist letzte Woche "nach Hause" gegangen…ach, es ist so schön deine Zeilen zu lesen und dein Songfund hat mir letzte Woche auch soviel gegeben…Wahnsinn…ich glaube das Schicksal hat uns da zusammengeführt…freu mich auf dein Paket morgen und auf soviel mehr…"Ich bin nicht weg. Ich tausche nur die Räume. ich lebe in euch und geh durch eure Träume" (Michelangelo Buonarroti)
Ich drück dich…;)…und danke für deine Zeilen…alles Liebe…cheers and hugs…i…
Okka meint
Ich wünsch Dir und allen, die zusammen mit Dir traurig sind, ganz viel Kraft.
Nord und Süd meint
Liebe Jules,
auch wenn wir einander völlig unbekannt sind, so möchte ich Dir an dieser Stelle mein tiefes, aufrichtiges Mitgefühl ausdrücken! Ich habe vor drei Wochen meinen Opa an diesen scheiss Krebs verloren und kann deswegen leider zu gut nachfühlen wie hart ein solcher Verlust trifft!
Ich wünsche Dir viel Kraft beim endgültigen Gehenlassen und tröstende Menschen, die Dich auffangen, wenn die Traurigkeit sich vorkämpft.
Michelangelos Spruch, den Frau Heuberg zitiert hat, hat mich in den Tagen grösster Trauer "gefunden" und mir Trost gegeben, ich hoffe Dir geht es ähnlich.
Alles Liebe von
Frau Süd